Deutschland sucht den Superspreader

Oder besser: man hat ihn gerade gefunden. Eine dieser Tage erschienene wissenschaftliche Studie über den Ausbruch bei Tönnies kommt zu dem Ergebnis, dass der dortige Ausbruch auf einen Arbeiter zurückzuführen sei, der seine Kollegen über eine Distanz von 8 m angesteckt haben soll (1). Wenn sich eine solches Narrativ in den Köpfen festsetzt, dann wird es nie wieder Gigs oder überhaupt irgendwelche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen geben.

Wie eine eingehende Rückverfolgung des Übertragungsgeschehens bei Tönnies zeigt, hat wohl ein einziger Mitarbeiter in der Rinderzerlegung (Index-Patient B1, dessen Identität nicht bekanntgegeben wird) für die Verbreitung des Virus gesorgt. Das Virus wurde dann auf mehrere Personen im Umkreis von mehr als acht Metern im Betrieb übertragen.

https://www.heise.de/tp/features/Superspreader-bei-Toennies-identifiziert-4852400.html

Dabei ist einiges an der Studie höchst spekulativ, das gestehen auch die Autoren ein. Besonders interessant: Niemand scheint sich dafür zu interessieren, ob die Arbeiter wirklich krank geworden sind; in der Studie und auch in allen Berichten, die ich darüber gefunden habe, ist nur von positiven PCR-Tests die Rede. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Jogeshwar („Wissen vor Acht“) hat dann auch schnell mal ein Erklärvideo zu der Sudie produziert, in dem er zwei der Autoren interviewt (2). Es ist ein Jammer: Auch er scheint sich nicht dafür zu interessieren, ob die Leute krank geworden sind. Schade, ich fand den mal ganz sympathisch.

Was ist das für eine Wissenschaft, die so unpräzise arbeitet, dass sie nicht zwischen “positiv auf SARS-CoV-2 getestet” und “an COVID-19 erkrankt” unterscheidet”?

Das müssen diese Wissenschaftler sich fragen lassen, auch von Laien wie mir. Eine Antwort aus der Schweiz kennen wir bereits.

Die elenden Wohnverhältnisse der Tönnies-Arbeitssklaven seien übrigens nicht an dem Ausbruch schuld, das ist auch ein Ergebnis der Studie. Der Fleischmafia dürfte das gefallen: Bessere Schutzmasken und vielleicht ein paar Filter in die Luftumwälzung, dann kann’s weitergehen wie bisher. Prost Mahlzeit!

Corina meint, man könne das Ganze auch positiv sehen: Wenn eine Infektion mit dem Corona-Virus unter den Arbeitern keine schweren Verläufe hervorgerufen hat – wovon auszugehen ist, denn auf Intensivstationen dahinsiechende Tönnies-Opfer wären bei der vorherrschenden Stimmung im Juni sicher ein gefundenes Fressen für die Medien gewsen -, dann kann das unmöglich ein fieses Killervirus sein. Ich denke, sie hat Recht, denn dies stützt auch unsere in den vorherigen Kapiteln gefundene Annahme einer Grund-, Kreuz- oder sonstwie gearteten Immunität. Aber erzähl das mal einem Karl Lauterbach oder Jens Spahn.

(2) https://www.youtube.com/watch?v=OdMUztDVZGE

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